Wie die Alpen die Schweizer Wirtschaft prägten
Die Alpen sind weit mehr als nur eine idyllische Kulisse der Schweiz – sie ha-ben die wirtschaftliche Entwicklung des Landes wesentlich geprägt. Diese Bedeutung wurde am 4.März im Hänggiturm des Glarner Wirtschaftsarchivs in Schwanden eindrucksvoll beleuchtet. Der Vortragsabend, organisiert vom Verein für wirtschaftshistorische Studien (VWS) und dem Historischen Verein des Kantons Glarus (HVG), bot spannende Einblicke in die wirtschaftlichen Pionierleistungen, die aus den alpinen Regionen hervorgingen.
Alpen als Exportmotor
Clemens Fässler, Geschäftsführer des VWS, betonte die zentrale Rolle der Alpen für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz. Besonders prägend war die Milch- und Käseproduktion, die bereits vor der Industrialisierung eine tragende Rolle im Export spielte. Die in den Alpen gelegenen Käsereien schufen die Grundlage für den späteren Erfolg der Schokoladenindustrie und der Herstellung von Kindernahrung – zwei Branchen, die heute weltweit mit der Schweiz assoziiert werden.
Wesentlich vorangetrieben wurde die wirtschaftliche Entwicklung durch die Nutzung der alpinen Wasserressourcen. Die zahlreichen Bäche und Flüsse boten ideale Bedingungen für eine dezentrale Textilindustrie, die in Europa einzigartig war. Doch nicht nur die Industrie profitierte vom Wasserreichtum, sondern auch der Verkehr war stark davon geprägt. Bevor die Eisenbahn das Land erschloss, waren Flüsse und Seen wichtige Transportwege. Dies förderte den Schiffbau und trug zur Entwicklung einer leistungsfähigen Maschinenindustrie bei.
Glarner Tourismus-Boom
Die Alpen stellten lange Zeit eine natürliche Barriere für Verkehr und Handel dar. Die schrittweise Überwindung dieser topografischen Herausforderung erwies sich jedoch als Treiber für technologischen und ökonomischen Fortschritt. Bereits im Mittelalter legte das Säumerwesen über Pässe wie den Gotthard den Grundstein für alpine Handelsrouten. Im 19. Jahrhundert intensivierte sich diese Entwicklung erheblich: Der Bau der Gotthardbahn führte zu signifikanten Fortschritten in Bohrtechnik, Vermessung und Ingenieurskunst. Die Errichtung des Simplontunnels gab der Elektrotechnik entscheidende Impulse, während die Konstruktion von Bergbahnen innovative Zahnradtechnologien hervorbrachte.
Dies brachte auch einen Aufschwung im Tourismus. Rolf Kamm, Präsident des HVG, zeigte anhand historischer Dokumente, wie sich auch das Glarnerland im 19.Jahrhundert zur beliebten Touristendestination entwickelte. Bis 1911 gab es rund 50 Hotels im Kanton Glarus, fast die Hälfte davon in Linthal und Braunwald. Besonders das Bad Stachelberg in Linthal zog mit seiner Schwefelquelle und der beeindruckenden Natur zahlreiche Gäste an. Die frühe Eisenbahnanbindung (bis Linthal ab 1879) sowie gezielte Werbung durch den Verkehrsverein Glarnerland-Walensee steigerten die Bekanntheit der Region.
In den Jahren 1896 bis 1915 informierte das Fremdenblatt des Vereins über Hotels und Sehenswürdigkeiten und warb gar mit aktuellen Gästelisten. Viele prominente Besucher und Besucherinnen aus dem In- und Ausland verbrachten damals ihre Ferien in Linthal. Im Gegensatz zu anderen Kurorten wie Gurnigel oder Alvaneu konnte sich Stachelberg allerdings nicht dauerhaft etablieren. Der Erste Weltkrieg bedeutete das Ende des Kurhotels und leitete den Niedergang des Tourismus in der Region ein.
Wasserkraft als Innovation
Schliesslich erwies sich auch die Wasserkraft als weiterer wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung der Alpenregion. Historiker August Berlinger verdeutlichte, dass Stauseen und Kraftwerke nicht nur eine zuverlässige Energieversorgung ermöglichten, sondern auch die Basis für technologische Innovationen schufen. Die Elektrifizierung von Bahnstrecken, die nachhaltige Energieversorgung für Industriebetriebe und der Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken trugen entscheidend zur Modernisierung der Infrastruktur bei.
Die Veranstaltung machte deutlich, dass die Alpen nicht nur eine beeindruckende Naturlandschaft sind, sondern ein zentraler Bestandteil der wirtschaftlichen Identität der Schweiz.
* Julia Rhyner-Leisinger ist Historikerin aus Ennenda und im Vorstand des Historischen Vereins des Kantons Glarus.
Ein Vortrag im Hänggiturm in Schwanden hat die entscheidende Rolle der Alpen für die Schweizer Wirtschaft beleuchtet. Clemens Fässler und Rolf Kamm präsentierten historische Einsichten.
Der Erste Weltkrieg bedeutete das Ende des Kurhotels und leitete den Niedergang des Tourismus in der Region ein.