Arm sein im reichen Kanton Schwyz
Trotz des Wohlstands im Kanton Schwyz sind auch hier Menschen von Armut betroffen. Vor allem Einelternfamilien kämpfen mit finanziellen Engpässen. Der Kanton und Hilfsorganisationen unterstützen.
Ob jemand arm ist oder nicht, lässt sich schwer definieren. Besonders in der reichen Schweiz. Der Kanton Schwyz hält sich bei der Definition von wirtschaftlicher Armut an die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und das Bundesamt für Statistik. «Armut wird entsprechend der Armutsgrenze definiert, die sich am sozialen Existenzminimum orientiert», sagt Regierungsrat Damian Meier, Vorsteher des Departements des Innern, auf Anfrage. Diese Grenze berücksichtige die minimal notwendigen finanziellen Mittel für Lebenshaltungskosten wie Wohnung, Ernährung, Kleidung, Gesundheit und soziale Teilhabe. «Von Armut betroffen sind Personen, deren Einkommen ohne staatliche Unterstützung unter dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum gemäss SKOS liegt», sagt er. Und genau solche Menschen gibt es auch im reichen Kanton Schwyz.
Einelternfamilien besonders betroffen
Der Kanton Schwyz führt keine eigene Statistik zur Armutsquote. Die Daten werden von Lustat Statistik Luzern respektive vom Bundesamt für Statistik BFS erfasst und für jeden Kanton ausgewertet. Im Jahr 2023 haben im Kanton Schwyz insgesamt 2261 Personen wirtschaftliche Sozialhilfe bezogen, wie die entsprechende Statistik zeigt. (Zahlen für 2024 folgen im Herbst 2025).
Betroffen von Armut dürften aber noch mehr Menschen sein. Der Grund: In der Statistik sind Personen, deren Einkommen unter dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegt, aber keine wirtschaftliche Sozialhilfe beziehen wollen, nicht eingerechnet. Wie viele das genau sind und warum sie darauf verzichten, dazu liegen im Kanton Schwyz keine Erhebungen vor. Ein Grund für den Verzicht könnte Scham sein.
Wie Meier erklärt, sind die Zahlen der Sozialhilfebezüger über die letzten drei Jahre stabil geblieben. Einige Bevölkerungsgruppen seien aber stärker betroffen als andere. «Besonders betroffen sind Einelternfamilien sowie Kinder und Jugendliche», sagt er. Alleinerziehende Elternteile hätten oft Schwierigkeiten, Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung zu vereinbaren, was zu finanziellen Engpässen führen kann.
Familienergänzende Kinderbetreuung
Und wie wird diesen Menschen geholfen? «Der Kanton Schwyz hat seit dem 1.Juni 2024 ein sehr fortschrittliches Kinderbetreuungsgesetz, auf das wir sehr stolz sind», sagt Meier. Mit grosszügiger finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand soll den Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert werden. «Die Eltern können mit einem Gesuch Beiträge für die familienergänzende Kinderbetreuung beantragen», so der Regierungsrat. Neben wirtschaftlicher Sozialhilfe können Personen in jeder Gemeinde auch persönliche Hilfe beanspruchen. Diese beinhalte eine auf die individuelle Lebenslage zugeschnittene Beratung und Begleitung. «Das Ziel der Sozialhilfe ist die berufliche und soziale Integration zu fördern», sagt er. Manchmal zeigt sich Armut im Kanton aber noch in einer anderen Form. Es gibt laut Meier vereinzelt auch von Obdachlosigkeit betroffene Personen. Im Rahmen einer Interpellation seien mehrere Gemeinden zu diesem Thema befragt worden. Die Gemeinden gaben an, dass im Schnitt jährlich zwischen null und zwanzig Personen aufgrund eines Verlustes der Wohnmöglichkeit in Notunterkünften untergebracht werden mussten.
«Anzahl deutlich zugenommen»
Auch ein Blick auf verschiedene Hilfsorganisationen zeigt, dass Armut im Kanton Schwyz Realität ist. Eine davon ist «Tischlein deck dich». Diese Organisation rettet Lebensmittel vor der Vernichtung und verteilt sie an armutsbetroffene Menschen in der ganzen Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein. Im Kanton Schwyz betreibt die Organisation fünf Abgabestellen: Einsiedeln, Immensee, Pfäffikon, Seewen und Siebnen. «Im 2024 ha-ben wir an den Abgabestellen im Kanton Schwyz jede Woche durchschnittlich zwischen 900 und 950 Personen mit Lebensmittelhilfe unterstützt», sagt Reto Schlegel, Kommunikationsleiter ad interim. Gesamthaft hat die Anzahl unterstützter Personen in den letzten Jahren deutlich zugenommen, weil die Organisation die Menge geretteter Lebensmittel erhöhen konnte. Da im Kanton Schwyz im 2024 aber keine neue Abgabestelle dazugekommen sei, gebe es hier keine signifikante Veränderung bei der Anzahl unterstützter Personen und Familien. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht noch mehr Menschen gebe, die darauf angewiesen sind. Denn: «Gemäss unseren Informationen übersteigt die Anzahl armutsbetroffener Menschen an den meisten Orten unsere gegenwärtigen Kapazitäten », so Schlegel. Deshalb eröffne man stetig neue Abgabestellen nach Durchführung einer systematischen und präzisen Analyse. «Die Nutzung unseres Angebots ist nicht unbedingt mit dem Bezug von Sozialhilfe verbunden», sagt Schlegel. Es sei aber notwendig, in Kontakt mit einer Sozialfachstelle zu stehen und von dieser eine Kundenkarte zu bekommen.
Dringliche Notlagen beheben
Eine andere Organisation, die sich mit Armut im Kanton auskennt, ist die Winterhilfe Schwyz, die ihre Unterstützungsleistungen vollständig durch Spendengelder finanziert. «Die Winterhilfe Kanton Schwyz hat das Ziel, die Auswirkungen von Armut im Kanton Schwyz zu mildern», sagt Geschäftsstellenleiter Armon Saluz. Sie entlaste finanziell eingeschränkte Haushalte und behebe dringliche Notlagen, die etwa aus sozialen, gesundheitlichen oder anderen Gründen entstanden sind. Durch punktuelle Unterstützungsleistungen soll im Sinne von «Hilfe zur Selbsthilfe» die Lebenssituation Hilfesuchender verbessert und das Entstehen neuer Notlagen nach Möglichkeit verhindert werden, so Saluz weiter. Die Gesuche sind laut dem Geschäftsstellenleiter zuletzt konstant geblieben – mit jeweils 131 Gesuchen in den letzten beiden Geschäftsjahren.
Die Organisation verstehe sich als ergänzendes Sicherheitsnetz vor der staatlichen Sozialhilfe und setzt dort an, wo öffentliche oder institutionelle Unterstützungsangebote entweder nicht ausreichen oder nicht in Anspruch genommen werden können. Die Hilfeleistungen der Winterhilfe erfolgen in der Regel einmal pro Jahr in Form gezielter Sach- oder Geldzuwendungen. Beispielsweise fand im Februar in Tuggen der Verpackungstag «2x Weihnachten» statt, bei welchem die Winterhilfe Schwyz gemeinsam mit dem Schweizerischen Roten Kreuz Kanton Schwyz nützliche Alltagsgegenstände verpackte, die anschliessend über die Gemeinden an armutsbetroffene Personen verteilt wurden (wir berichteten).
«Gemäss unseren Informationen übersteigt die Anzahl armutsbetroffener Menschen an den meisten Orten unsere gegenwärtigen Kapazitäten.»
Reto Schlegel
Kommunikationsleiter ad interim bei «Tischlein deck dich»