Kulinarisches
Michel Wassner* ssner*
Wie erkundet man ein Land am besten? Durch den Magen. Mit seinem Monumentalwerk «Das kulinarische Erbe der Schweiz» hat Paul Imhof nichts weniger geschaffen als eine Landkarte. Einen Fahrplan durch die schier endlosen Spezialitäten der Eidgenossenschaft. «Ein Panoptikum des Ess- und Trinkbaren», wie es auf dem Einband heisst. Oder auch: «Die vollständige Enzyklopädie des kulinarischen Erbes der Schweiz.» Erstellt im Auftrag von Bund und Kantonen. Das macht das Ganze irgendwie offiziell.
Der Autor führt den Leser zunächst in die kulinarischen Landschaften ein, bevor er uns durch die Kantone und Regionen des Landes geleitet. Allein der Blick auf die Seitenzahl verspricht eine lange, kalorienreiche Reise: 775. Den Beginn macht Basel-Stadt – Leckerli (logisch), Magenbrot (klar), Thomy-Senf? Es geht in dem Buch eben nicht nur um Wurst, Käse, Brot und Süsswaren, sondern auch um fertige Produkte – Klassiker, wie eben Tubensenf. In der Waadt wird der Nescafé behandelt.
Auch im Kanton Schwyz findet sich Bekanntes und weniger Geläufiges. Den Anfang macht – wer errät’s? Natürlich. Magenträs, der berühmte Gewürzzucker, vor allem gebräuchlich in der Innerschweiz. Es geht weiter mit Bauernspeck, Butter und Schwyzer Käse. Dann wird’s wieder süss. Agathenringli, «geweihtes Brot», das vor Feuer schützen soll oder auch der Einsiedler Schafbock. Das ist ein kreiselartiger Honigkuchen ohne Füllung. Und wenn dann der Schwyzer Krapfen schwer im Magen liegt, greift manch einer vielleicht zum Rosoli. Bei dem alkoholischen, likörartigen Getränk handelt es sich um eine regionale Spezialität – ohne vereinheitlichtes Rezept.
Ein Abstecher ins Tessin ist nur ein paar Seiten weit entfernt. Und wer wusste schon, dass es ein Tessiner Olivenöl gibt, das Olio d’oliva ticinese? Ein sehr exklusiver Tropfen. Weshalb der Autor schreibt: «Die Freude am Tessiner Olivenöl ist um ein Mehrfaches grösser als seine wirtschaftliche Bedeutung.» Und so geht die Reise ewig weiter.
Die Schweizer Küche ist vor allem eines: Vielfältiger, als man denkt. Und das bezieht sich nicht nur auf die bekanntermassen unzähligen Käsesorten. Unser Land ist bestimmt die ein oder andere kulinarische Reise wert. Frei nach dem Motto «Wozu in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nahe liegt?» findet sich überall etwas Passendes für Geniesser. Ganz sicher.