Die Abba-Stimme, die im Ohr bleibt: Agnetha Fältskog wird 75
Wenn Agnetha Fältskog zum Mikrofon griff, dann war das in den meisten Fällen mit einem unmittelbaren Ohrwurm verbunden. Ob «Super Trouper» oder «Mamma Mia», «Dancing Queen» oder «The Winner Takes It All»: Was die blonde Schwedin in den glorreichen Abba-Jahren mit ihrer klaren Sopran-Stimme besang, das blieb den Zuhörern noch lange im Kopf.
Für Fältskog hat sich seitdem eine Menge verändert, doch eines ist geblieben: ihre Stimme im Ohr der Abba-Fans. Nun wird eine der grössten Vertreterinnen der schwedischen Musikgeschichte am Samstag (5. April) 75 Jahre alt.
In der Öffentlichkeit zu sehen ist Fältskog nur noch selten. Sie hat sich bis heute ihre Zurückhaltung bewahrt, die ihr auch schon zur grossen Zeit der Abbamania nachgesagt und die manchmal als Distanziertheit und Kühle interpretiert wurde. Interviews gibt sie nur wenige, auch zu ihrem Geburtstag nicht, wie die langjährige Abba-Vertraute und -Managerin Görel Hanser auf Anfrage ausrichtet. Ihren Geburtstag wird Fältskog demnach ganz im Privaten feiern.
Dieses Private war etwas, das die schüchterne Schwedin lange Zeit vermisst hat. In der glitzernden, schillernden Abba-Welt war lange kein Platz für einen Rückzug – stattdessen ging es von Welthit zu Welthit und von Auftritt zu Auftritt.
Liebe zur Musik und Musik über Liebe
Ihre Liebe zur Musik entdeckte Agneta Åse Fältskog – das H fand erst später seinen Weg in ihren Vornamen – schon in ihrem Kinderzimmer im schwedischen Jönköping gut 300 Kilometer südwestlich von Stockholm. In einer inoffiziellen Fältskog-Biografie des Autoren Daniel Ward ist zu lesen, dass sich die junge Schwedin schon als Fünfjährige entschieden habe, eines Tages eine Sängerin von Weltrang werden zu wollen.
Auf diesem Weg half ihr neben ihrem musikalischen Talent als Teenagerin auch der Liebeskummer, den sie 1967 als damals 17-Jährige in «Jag var så kär» (Ich war so verliebt) mit ihren ersten Zuhörern teilte. Unter diesen Zuhörern war damals auch ein anderer aufstrebender schwedischer Musiker: Björn Ulvaeus.
«Ich erinnere mich daran, wie ich Agnethas erste Single im Radio gehört habe», sagte Ulvaeus 2013 in einem BBC-Interview. «Da lag etwas so Spezielles in ihrer Stimme, dazu noch die Tatsache, dass sie den Song selbst geschrieben hat. Es war magisch.»
«Abba wurde aus Liebe geformt»
Aus dieser Magie wurde schliesslich mehr – viel mehr: Fältskog und Ulvaeus wurden zum einen ein Paar, das später mit Linda und Christian zwei Kinder bekam. Zum anderen verschmolzen sie zusammen mit Anni-Frid «Frida» Lyngstad und Benny Andersson zu einem Quartett, das die Welt erobern sollte. «Abba wurde aus Liebe geformt», sagte Fältskog dazu 1979 dem Magazin «Vecko Revyn».
Es folgte eine der verrücktesten Bandgeschichten, die die Popmusik jemals gesehen hat: Mit «Waterloo» feierte Abba 1974 den Sieg beim Eurovision Song Contest im englischen Brighton und noch dazu den internationalen Durchbruch. Ulvaeus und Andersson dachten sich einen Erfolgshit nach dem anderen aus, Fältskog und Lyngstad sangen diese Lieder tief in die Gehörgänge dieser Welt hinein.
«SOS», «Fernando», «Money, Money, Money», «Knowing Me, Knowing You» und noch zahlreiche weitere Abba-Songs fanden so ihren unbremsbaren Weg an die Chart-Spitzen. Die vier Nordlichter wurden weltberühmt und tourten bis nach Australien. Fältskog prägte dabei auch das Bild von der schönen Schwedin mit den blonden Haaren und den blauen Augen.
Zurückhaltung statt Glitzerwelt
Und doch sehnte sie sich nach Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten. «Es war anstrengend, auf diesen enormen Tourneen zu sein», sagte sie 2014 in einem ihrer seltenen öffentlichen Auftritte in der schwedisch-norwegischen Sendung «Skavlan». Manchmal habe sie sich einfach nur gewünscht, zu Hause bei den Kindern zu sein.
Die Liebe zu Ulvaeus hielt dem Druck der Abba-Hysterie letztlich nicht stand, auch die zwischen Andersson und Lyngstad nicht. Ende der 1980er Jahre, einige Zeit nach dem Ende der grossen Abba-Ära, zog sich Fältskog schliesslich länger gänzlich aus der Öffentlichkeit zurück.
Was bei all dem aber blieb, ist die Liebe zur Musik: Begleitet von weniger Glitzer und weniger Weltbeachtung verfolgte Fältskog nach der Abbamania immer wieder Solo-Projekte, zuletzt 2023 mit dem Album «A+», mit dem sie abermals bewies, auch ohne ihre früheren Band-Mitglieder eine erstklassige Popmusikerin zu sein. Welthits entstanden daraus zwar nicht – das dürfte der Schwedin nach den aufreibenden Jahren im Fokus der Weltöffentlichkeit aber ganz recht gekommen sein.
Der Rückzug aus der Glitzerwelt dürfte nichts daran ändern, dass auch zu Fältskogs 75. Geburtstag so einige Menschen ihre Stimme im Ohr haben werden. Vielleicht wird der eine oder andere Fan zu ihren Ehren eine Platte aus der guten, alten Abba-Zeit auflegen oder einen der Welthits der Band gleich selbst ansummen.
Auch ein knappes halbes Jahrhundert nach der Abbamania wird die Musik der Gruppe weiter rauf- und runtergehört – und auch im Jahr 2025 erwischen sich junge Leute dabei, wie Agnetha Fältskog ihnen einen gelegentlichen Ohrwurm ins Gedächtnis zaubert.