«Ich besitze mehr Strassen als eine kleine Gemeinde»
Patrizia Baumgartner
Kürzlich sicherte sich Jonas Lauwiner, wohnhaft in Burgdorf, diverse Grundstücke im Kanton Schwyz, darunter auch in fünf Marchgemeinden. Dabei handelt es sich um ehemals «herrenlose Grundstücke » und es sind vor allem Quartierstrassen oder Teile davon (wir berichteten, siehe Kasten unten). Der 30-Jährige reagierte auf unsere schriftliche Anfrage und stellte sich dem Telefon-Interview.
Die erste Frage liegt auf der Hand. Weshalb nennt er sich überhaupt «König der Schweiz»? Er lacht: «Anfangs war ich nur der König des Lauwiner Empire. Die Medien nannten mich später dann König von Burgdorf. Und da ich mittlerweile 149 Grundstücke zwischen dem Wallis und Uri besitze, dachte ich mir: Warum nicht gleich König der Schweiz?» Ein wenig Stolz schwingt in seiner Stimme mit. Natürlich sei der Titel rein symbolisch – schliesslich regiere ja noch der Bundesrat, fügt er augenzwinkernd hinzu.
Dass es innerhalb eines souveränen Staates schwierig wäre, ein eigenes Königreich auszurufen, liegt auf der Hand. Andererseits gibt es zum Beispiel den «Schwingerkönig» – und die-ser Titel wird schliesslich von niemandem infrage gestellt.
Ein König mit Vollzeitjob
«Das Leben war noch nie einfach und so wird es mir nicht langweilig», gibt Lauwiner unumwunden zu. Er widmet sich übrigens nur in seiner Freizeit seinem Königreich. «Ich könnte zwar davon leben, aber ich arbeite zu 100 Prozent als IT-Projektleiter in der Automation. » Natürlich dreht das Gespräch schnell in Richtung «herrenlose Grundstücke » und deren Aneignung. Lauwiner betont: «Das ist vollkommen legal. Ich stehle niemandem etwas.» Er vergleicht die Aneignung solcher Flächen mit dem Prinzip «zum Mitnehmen»: Jeder könnte es sich aneignen, man muss es nur finden. Die Gründe, weshalb ein Grundstück herrenlos werde, seien vielfältig: «Ausgeschlagene Erbschaften, Konkurse und so weiter. Es ist ein Prozess, aber ich halte mich strikt ans Gesetz», betont er.
Der Startschuss fiel vor Jahren im Kanton Wallis. Seitdem hat König Lauwiner knapp 150 Grundstücke «annektiert » – und zwar in neun verschiedenen Kantonen. Nicht in der ganzen Schweiz sei die Rechtslage gleich.
Da ein herrenloses Grundstück keinem Besitzer gehört, könne es auch niemand verkaufen – es sei also «gratis ». Der erste, der eine Aneignungserklärung einreiche, werde als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Doch diese Grundstücke zu finden, sei aufwendig. «Es gibt keine Liste. Ich ha-be meine eigenen Such-Methoden entwickelt », sagt er kryptisch.
Fokus auf Strassen
Wie berichtet, wurden kürzlich knapp 20 Grundstücke in acht verschiedenen Schwyzer Gemeinden auf Jonas Lauwiner veröffentlicht. Er sagt dazu: «Ich habe aktuell 26 Grundstücke im Kanton Schwyz» mit einer Fläche von insgesamt rund 19 000 Quadratmetern. Das seien übrigens alle herrenlosen Grundstücke, die es in unserem Kanton gab.
Er habe die meisten Grundstücke schon vor Ort begutachtet: «Ich bin stundenlang durch den ganzen Kanton Schwyz gefahren», gibt er zu Protokoll. Schwyz sei «ein schöner Kanton» und es sei als König der Schweiz ein Muss, auch hier in der Urschweiz einige Grundstücke zu besitzen.
«Feldzug» führte zu Resultaten
Der «König» bezeichnet seine Suche nach herrenlosen Grundstücken übrigens als «Feldzug». In den letzten drei Monaten habe er einen solchen in verschiedenen Kantonen durchgeführt und so rund 80 zusätzliche herrenlose Grundstücke gefunden.
Dass es sich dabei vor allem um Strassen handle, überrasche ihn selbst nicht: «Herrenlose Grundstücke können alles Mögliche sein.» Inzwischen besitzt er 83 Strassen in verschiedenen Kantonen – «fast mehr als eine kleine Gemeinde», wie Lauwiner nicht ohne Stolz anmerkt.
Aber was passiert nun mit die-sen Strassen? «Im Moment gar nichts. Wer Wegrechte oder Näherbaurechte braucht, kann sich bei mir melden. Ich bin offen für Übertragungen», gibt er sich kulant.
Verantwortung und Kosten
Anwohner «seiner Strassen» hätten sich bislang keine offiziell bei ihm gemeldet – und Strassenzölle könne er ohnehin keine erheben «Aber es gibt immer Rechte und Pflichten. Die Nutzer haben das Wegrecht, aber sie müssen auch die Unterhaltskosten tragen.» Für ihn persönlich bedeute der Besitz wenig Nutzen: «Ich wohne nicht dort, also brauche ich die Strassen nicht. Aber ich muss mich um Dinge wie Schneeräumung kümmern – die Kosten werden dann auf die Anwohner umgewälzt.» Natürlich kennt Lauwiner die Rechtslage genau.
Er betont, dass die Strassen in erster Linie nur herrenlos wurden, da sich niemand die Verantwortung und möglichen Kosten aufbürden wollte. «Deshalb geben Gemeinden oder Strassengenossenschaften ihre Grundstücke irgendwann auf.» Der 30-Jährige hat mit der Strasse auch die Haftung übernommen.
Er findet aber auch, dass es im Kanton Schwyz relativ viele Privatstrassen und deshalb auch Strassengenossenschaften gebe. Es sei oft kompliziert, diese zu gründen, vor allem, wenn es sehr viele Anwohner gebe. Und dann sei die Priorität dafür oftmals auch sehr tief.
Lauwiner weiss dann auch, dass betreffend seiner Strassen einiges an Arbeit auf ihn zukommen kann und rechnet vor: «Eine Strasse hat eine Lebensdauer von 20 Jahren, das heisst es fallen etwa drei Sanierungen pro Jahr an.» Bisher laufe alles gut, auch wenn jetzt Diskussionen um den Quellenweg, eine ehemals herrenlose Strasse in Studen, heiss laufen (siehe Box).
König mit Weitblick
Wie geht es weiter? «Wenn ich Zeit und Lust habe, ziehe ich wieder in den Feldzug», sagt er mit einem Lächeln. Neben seinem Königreich hat der «König » schliesslich noch einen Beruf – und ein Privatleben. Hat sein Reich eigentlich Bürger? «Ja, es gibt einige, die sich per E-Mail beworben haben – das ist eher ein lustiger Aspekt.» Seine eigene Legitimation sieht er pragmatisch: «Der ers-te König hat es immer am schwersten. Später übernimmt dann einfach der Sohn.» Und falls es mit dem Königreich doch nicht klappen sollte?
Lauwiner hat nämlich ein politisches Mandat: Seit letztem November sitzt Lauwiner tatsächlich im Stadtrat von Burgdorf – parteilos, versteht sich. «Ohne eigene Partei ist es schwierig, da man kein Budget hat. Aber ich bin da, um zu dienen – genau wie ein König.» Ob das Königreich Lauwiner eine Zukunft hat, wird sich zeigen. Sicher ist nur: Jonas Lauwiner wird weiter nach herrenlosem Land suchen – und sein Reich stetig vergrössern.
Ein Gespräch mit Jonas Lauwiner, selbst ernannter «König der Schweiz» und Besitzer von 83 Strassen in neun verschiedenen Kantonen, darunter auch in Schwyz.
Jonas Lauwiner besitzt 26 Grundstücke im Kanton Schwyz. Laut eigener Aussage sind das alle, die bisher «herrenlos» waren.