Die Schweizer Mountainbiker vor der Saison mit der Heim-WM
Acht Monate nach den medaillenlosen Olympischen Spielen in Paris steigen die Schweizer Mountainbiker mit neuem Elan in die Saison 2025 mit der Heim-WM im Wallis. Die Top-Athleten unter der Lupe.
Alessandra Keller: Knie geflickt, WM-Medaille im Visier
Länger als erwartet musste sich Alessandra Keller auf dem Weg in die Weltspitze verletzungsbedingt gedulden. 2024 war die nunmehr 29-jährige Junioren- und U23-Weltmeisterin von 2013 und 2018 im Weltcup zum zweiten Mal die Nummer 1. Wie 2022 sicherte sie sich mit dem Gewinn des Gesamtweltcups und der Short-Track-Disziplinenwertung das Double.
2025 könnte es auch mit der ersten WM-Medaille im olympischen Cross-Country (nach Silber im Short Track 2022) klappen. Zumal sich Keller in der Zwischensaison einer langjährigen Altlast entledigt hat. Seit 2018 und einem Trainingssturz am Tag, bevor sie in Lenzerheide den U23-WM-Titel holte, fuhr Keller mit einem beschädigten Kreuzband im rechten Knie. Nun unterzog sie sich im letzten Oktober einem operativen Eingriff. «Ich bin sehr zufrieden mit dem Heilungsprozess, dem Wiederaufbau und dem bisherigen Trainingsverlauf», sagte Keller im März an der Vorsaison-Präsentation ihres Schweizer Teams Thömus Maxon, das sie zusammen mit Mathias Flückiger zur Nummer 1 im Cross-Country machte.
Bei der WM-Hauptprobe vor einem Jahr klassierte sich Keller auf dem anspruchsvollen Kurs in Crans-Montana sowohl im Cross-Country als auch im Short Track im 2. Rang.
Jolanda Neff: Luft für mehr
Neue Atemtechnik, neues Team: Mit 32 Jahren erfindet sich Jolanda Neff noch einmal neu und ist wieder bereit zum Angriff. Nach einem schwierigen, von Atemproblemen geprägten Jahr, das im Forfait für die Olympischen Spiele in Paris gipfelte, hat Neff die Kurve gekriegt. «Ich fühle mich sehr gut und liege gut im Fahrplan», sagte die Olympiasiegerin von 2021 im März an einer Pressekonferenz gegenüber «Blick», an der sie ihr neues eigenes Rennen für jedermann, den Grand Prix Jolandaland in Widnau, vorstellte. Das Atmen bereite ihr auch bei Trockenheit keine Beschwerden mehr, so die Gesamtweltcupsiegerin von 2014, 2015 und 2018.
Tatsächlich trugen die Anstrengungen, die Atemprobleme in den Griff zu bekommen, seit der verspäteten Diagnose (anstrengungsbedingte Verengung der Stimmbänder, kurz «EILO»), Früchte. War Neff 2023 und 2024 in internationalen Feldern ohne Sieg geblieben, gewann sie nun in der Vorbereitung drei Rennen. Hinzu kommt der Teamwechsel zu Cannondale nach sechs Jahren bei Trek, der ihr einen «sehr willkommenen Boost» verleiht.
Sina Frei, Nicole Koller, Linda Indergand
Neben Jolanda Neff haben auch Sina Frei (Silber) und Linda Indergand (Bronze) Olympiamedaillen von 2021 in ihrer Sammlung. Die 27-jährige Frei und die vier Jahre ältere Indergand mischten in den letzten Jahren aber nur noch punktuell zuvorderst mit – wobei Frei zum Ende der letzten Saison mit vier Podestplätzen in den letzten vier Rennen (Cross-Country und Short Track) der Befreiungsschlag gelang.
Nicole Koller, die Junioren-Weltmeisterin von 2014, schaffte in der letzten Saison den Anschluss an die Top 10 und liess bei der WM-Hauptprobe mit einem 6. Platz aufhorchen.
Nino Schurter: Noch zwei Highlights für die Legende
39 Jahre hat der erfolgreichste Mountainbiker nunmehr auf dem Buckel. Ganz genug hat der Olympiasieger von 2016 noch nicht. «Eine weitere Heim-WM und das Weltcuprennen in Lenzerheide sind der optimale Abgang für mich. Das wird das perfekte Ende meiner Cross-Country-Karriere», verkündete der Bündner im letzten Oktober. Die Heim-WM wird sein viertletztes Rennen als Profi sein, der Heim-Weltcup sein drittletztes.
Dass er nach wie vor zu Grossem imstande ist, bewies Schurter letzte Saison zwar nicht an den Olympischen Spielen (9. Platz), aber kurz davor beim Weltcup in Val di Sole, wo er seinen 36. Weltcupsieg errang. Dass die Form für eine letzte erfolgreiche Saison stimmt, unterstrich er vor zwei Wochen mit seinem dritten Gesamtsieg am Cape Epic, dem prestigeträchtigen Mehretappenrennen in Südafrika, an der Seite von Scott-Teamkollege Filippo Colombo.
Mathias Flückiger: Endlich wieder frei
Vor vier Jahren hatte es Mathias Flückiger endlich geschafft. Nach langer Anlaufzeit trat der U23-Weltmeister von 2010 aus dem Schatten von Nino Schurter. Als Ü-Dreissiger gewann er 2021 in Tokio Olympiasilber und holte sich im selben Jahr den Gesamtweltcup und WM-Silber. Ein Jahr später riss ihn ein atypisch-positives Ergebnis bei einem Dopingtest schlagartig in den Abgrund.
Jahrelang musste Flückiger juristisch um seine Unschuld kämpfen. Erst im letzten Jahr wurde er im Mai von allen Dopingvorwürfen freigesprochen. Zwar durfte er ab Ende 2022 wieder Rennen bestreiten und gewann vereinzelt auch wieder, zur Konstanz von 2021 fand er noch nicht.
«Ich freue mich, endlich wieder eine Saison befreit Rennen zu fahren und es einfach geniessen zu können», sagte Flückiger nun. Zwar kam in den ersten Wochen nach der Geburt von Tochter Mina Ida das Training im Februar etwas zu kurz. Erfolge an der Heim-WM und im Weltcup wären dem 36-jährigen Berner mit dieser Vorgeschichte aber mindestens gleichermassen zu gönnen wie Schurter auf dessen Abschiedstournee.
Colombo: Die Schweizer Nummer 1
Als Gesamtdritter war Filippo Colombo letzte Saison der beste Schweizer. Zweimal fuhr er aufs Podest, nun soll der nächste Schritt folgen. Der Sieg am Cape Epic mit Nino Schurter war der perfekte Startschuss für den 27-jährigen Tessiner.