«Wir haben bisher sehr viel Glück gehabt»
Seit Ausbruch der Blauzungenkrankheit letzten Sommer wurden auch im Kanton Schwyz 27 Fälle registriert. Ein Grossteil davon betrifft Rindvieh, ein kleiner Teil auch Schafe. Doch die Mückensaison steht erst bevor.
Silvia Gisler
Vronäli ist gerade hochträchtig. Das heisst: In den nächsten Wochen soll sie ihr erstes Kalb zur Welt bringen. Doch seit ein paar Tagen hat sie Fieber, wirkt lahm und frisst nicht mehr wie gewohnt. Während sie also erst noch an der herbstlichen Bezirksviehschau in den vorderen Rängen stand, gar mit einem Kranz ausgezeichnet wurde, ist sie nun mit Verdacht auf das Blauzungenvirus (BTV) ein Fall für den Tierarzt. Das Herz des Bauern schmerzt, auch wenn er weiss, dass er sein Schicksal mit weiteren Berufskollegen teilt.
Vier Tiere an BTV erlegen
Das Beispiel von Vronäli zeigt, was gerade in zahlreichen Ställen in der ganzen Schweiz geschieht. Schuld daran sind kleine, virusinfizierte Mücken, die mit dem Nordwest-Wind von Deutschland her in die Schweiz «geweht» wurden. Zuvor haben sie auf weit über 13 000 Betrieben Deutschlands grosses Leid und wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Im Kanton Schwyz traten Ende September die ersten Fälle auf. Gut einen Monat später als in anderen, westlicheren und nördlicheren Teilen der Schweiz. Seither wurden 27 Fälle einer Infektion mit dem Blauzungenvirus nachgewiesen – davon vier bei Schafen und 23 bei Rindern. «Wir ha-ben sehr viel Glück gehabt», weiss Kantonstierarzt Marco Gut auf Anfrage. «Im Kanton Schwyz gab es verhältnismässig wenige Fälle, in Uri und Nidwalden haben wir bis heute keine Fälle und in Obwalden nur drei.» Auch halte sich der Tierverlust aktuell noch in Grenzen. Seit Anfang Jahr seien «Meldungen zu vier umgestandenen beziehungsweise wegen BTV eingeschläferten Rindern im Kanton Schwyz» eingegangen. Betreffend erlegenen oder eingeschläferten Schafen lägen dem Laboratorium der Urkantone (Laburk) gar keine Meldungen vor.
Mücken-Ruhe ist nun vorbei
Vom 1.Dezember bis Ende März herrschte eigentlich die vektorfreie Periode. Sie beschreibt die Zeitspanne, in welcher keine oder nur wenige Mücken auftreten, die das Virus übertragen. Trotzdem kam es in dieser Zeit zu 15 Fallmeldungen. Wie der Kantonstierarzt erklärt, handle es sich dabei wohl noch um Ansteckungen aus dem letzten Jahr, die erst im Winter entdeckt wurden. «Je nach Witterung und Lage kann es natürlich sein, dass die Mücken an bereits warmen Tagen in der vektorfreien Periode geflogen sind und für weitere Ansteckungen gesorgt haben», erklärt Gut weiter. Und weil eben diese Mücken-Ruhe vorbei ist, rechnet der Veterinär damit, «dass es in den nächsten Wochen und Monaten sicher deutlich mehr Fälle geben wird als im letzten Herbst». Wie viele mehr, sei völlig unklar. Das hänge ganz von den Witterungsverhältnissen im Frühling und Sommer und der weiteren Verbreitung virusinfizierter Mücken ab.
Bald Moskitonetze in den Ställen?
Fakt ist, ihre Tiere zu schützen, wird für die Landwirte gar nicht so einfach. Selbst Marco Gut räumt ein, dass es «kaum möglich ist, seine Tiere vollständig vor Mücken zu schützen». Massnahmen wie etwa Mückennetze, chemische Insektenabwehr, Stallhaltung während der Dämmerung und vieles mehr könnten zwar helfen, die Anzahl der Mücken in der Umgebung zu reduzieren und somit die Gefahr zu senken, aber verhindern, dass die Tiere infiziert werden, können sie nicht.
Engpässe beim Impfstoff
Den besten Schutz gegen das Blauzungenvirus bietet die Impfung. Dies hat nur einen kleinen, aber entscheidenden Haken: «Zur Zeit des explosionsartigen Ausbruchs im Herbst gab es noch keinen Impfstoff.» Und, wie der Kantonstierarzt sagt, «gab und gibt es nach wie vor temporäre Engpässe bei der Verfügbarkeit ». Sprich: Selbst Landwirte, die ihre Tiere schützen wollen, mussten sich in den letzten Wochen teilweise in Geduld üben. An der Lösung dieses Problems wird aber laufend gearbeitet, wie Gut weiss, denn das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen arbeite mit Hochdruck daran, um den Impfstoff zugänglich zu machen. «Da der Impfstoff in der Schweiz grossflächig eingesetzt wird, sind entsprechend hohe Mengen notwendig», führt er weiter aus. So oder so herrscht im Moment eine angespannte Seuchensituation: «Neben der Blauzungenkrankheit bekämpft man aktuell auch die Moderhinke, und in Deutschland und Italien – nicht unweit der Schweiz – gibt es Fälle mit afrikanischer Schweinepest, in Ungarn und der Slowakei ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen …» Den Tierhaltern steht also eine herausfordernde Zeit bevor.
«Es herrscht eine angespannte Seuchensituation.»
Marco Gut
Kantonstierarzt
«Es gab und gibt nach wie vor Engpässe bei der Verfügbarkeit des Impfstoffes.»
Marco Gut
Kantonstierarzt