Dieser Zürcher Spätzünder startet so richtig durch
Sascha Fey (sda)
Willy Riedi ist ein Spätzünder, auch weil er noch bei den Novizen (heute U17) zu den Kleinsten gehörte, was bei seiner Grösse von 1,90 m nur schwer vorstellbar ist. Als Junior spielte er nicht stets in der höchsten Leistungskategorie, und er wurde nie für eine nationale Nachwuchsauswahl aufgeboten.
Dennoch hatte der 27-jährige Stürmer keine Zweifel. «Ich sah andere Spieler und dachte, wenn die das können, warum sollte ich das nicht auch können. Wenn du dir ein Ziel setzt, musst du dranbleiben, egal welche Steine dir in den Weg gelegt werden.» Diese Einstellung zahlte sich aus. Seit der Saison 2021/22 besitzt Willy Riedi einen Profivertrag.
Nun ist er in den Play-offs ein wichtiges Puzzleteil, dass dem ZSC nur noch ein Sieg zur erfolgreichen Titelverteidigung fehlt. Mit fünf Toren und drei Assists ist Riedi in der teaminternen Scorerliste die Nummer 4, obwohl er im Powerplay nicht zum Zug kommt. Durchschnittlich stand er bisher 12:23 Minuten pro Match auf dem Eis. Warum läuft es ihm so gut? «Die Play-offs kommen meinem Spielstil entgegen. Ich schaue jedoch nicht auf die Punkte, diese sind zweitrangig. Sonst zerbrichst du. Der Weg ist entscheidend, nicht das Resultat.»
Nicht nur Eishockey im Kopf
Riedi ist ein Spieler, der über den Tellerrand hinausschaut. Anfang Jahr hat er die Berufsmaturität abgeschlossen, im Sommer möchte er ein Studium beginnen. Welches? «Da bin ich mir noch etwas unschlüssig, aber wegen des Eishockeys gibt es nicht so viele Optionen, darum wird es wahrscheinlich auf ein Wirtschaftsstudium hinauslaufen », sagt Riedi.
Zuvor hatte Riedi bereits eine Ausbildung zum Fitnesscoach und Ernährungsberater absolviert. «Ir-gendwann kommt die Zeit nach dem Eishockey. Dafür musst du auch bereit sein, je früher, desto einfacher wird es», erläutert er. Apropos Ernährung. Vor den Spielen nimmt Riedi jeweils schwarze Schokolade und Honig zu sich. «Honig enthält viel Gutes, das Energie gibt. Schwarze Schokolade hat viele gesunde Fette, ist gut für die Durchblutung des Gehirns», erklärt Riedi. Zuvor hatte er auf Haferflocken geschworen. «Ich suchte immer nach etwas noch Besserem. Für den Moment bin ich zufrieden. »
Im besten Eishockeyalter
Riedi ist ein gutes Beispiel für die funktionierende Pyramide in der Organisation der Lions, die sich als einzige Mannschaft der National League ein echtes Farmteam leis-tet – nicht umsonst verfügt der ZSC über die grösste Breite in der Schweiz. Beim 3:1 am Dienstag, dem 16. Heimsieg in Serie in den Playoffs, schoss Riedi das wichtige 1:0. Dem Tor ging ein kapitaler Fehler des Lausanner Verteidigers Lukas Frick voraus. Dieser spielte den Puck vor das eigene Tor, wo nur der ZSC-Stürmer Vinzenz Rohrer stand. Danach hatte Riedi einfaches Spiel. «Ja, es war nicht so schwierig zu treffen. Aber es war ein Tor, das zeigte, was uns erfolgreich macht. Es war sinnbildlich für die gute Arbeit, die wir im Forechecking leisten», sagt der 99 Kilogramm schwere Energiestürmer.
Ist die Mannschaft noch gefestigter als beim Meistertitel im Jahr zuvor? Riedis Urteil: «Das ist ein schwieriger Vergleich. In der letzten Saison hatten wir mit Reto Schäppi und Simon Bodenmann sicher noch etwas mehr Erfahrung. Nun haben wir viele Junge, die vor einem Jahr schon dabei waren und sahen, wie es funktioniert. Schon einmal den Meistertitel geholt zu haben, hilft jedem.»
Das Konstrukt hält
Zur Heimserie sagt Riedi: «Das ist uns Spielern gar nicht so bewusst. » Und wie erlebte er den Trainerwechsel Ende Dezember vom aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Marc Craw-ford zu Marco Bayer, der zum ers-ten Mal in der besten Schweizer Liga als Headcoach tätig ist? Bayer hält auch hier den Puck flach und sagt: «Es war sicher ein spezieller Wechsel, jedoch sind wir ein eingespieltes Team. Da muss man gar nicht mehr so viel machen, ohne unseren Trainern Kredit wegzunehmen. Wir haben ein gutes Konstrukt, extrem viele Spieler sind im besten Eishockeyalter und wissen, wie man Erfolg hat.» Das ist zu sehen. Jedenfalls ist nur schwer vorstellbar, dass Lausanne die Serie noch drehen kann. Die erste Gelegenheit, erneut Schweizer Meister zu werden, bietet sich den Lions heute Donnerstag auswärts. Dann will der Spätzünder erneut zuschlagen.
Willy Riedi ist ein Sinnbild dafür, was die Organisation der ZSC Lions ausmacht. Heute Donnerstag können die Zürcher mit einem Sieg in Lausanne erneut Schweizer Eishockey-Meister werden.
10 Meistertitel
Mit bisher 10 Meistertiteln sind die ZSC Lions die Nummer 3 im Schweizer Eishockey hinter dem HC Davos (31) sowie dem SC Bern (16) «Schon einmal den Meistertitel geholt zu haben, hilft jedem.»
Willy Riedi
Stürmer der ZSC Lions