Kiew verspricht Wehrpflichtigen Entlassung – Nacht im Überblick

Trotz des anhaltenden russischen Angriffskriegs will die ukrainische Führung Soldaten am Ende ihrer Pflichtwehrdienstzeit aus den Streitkräften entlassen. Es gehe um Wehrpflichtige, die noch vor Beginn des Kriegs eingezogen worden seien, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag in seiner täglichen Videobotschaft. Laut dem Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine, Olexij Danilow, bat Selenskyj die Militärführung darum, diese Soldaten zu demobilisieren. Über den Zeitpunkt der Entlassungen gab es noch keine konkreten Angaben.

Die Versprechungen gelten als Zugeständnis an die Soldaten, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor 21 Monaten an der Front gekämpft haben. In den vergangenen Wochen gab es mehrere Demonstrationen von Angehörigen dieser Wehrdienstleistenden, die eine stärkere Rotation forderten, um den Kämpfern die Möglichkeit zu geben, sich für einen längeren Zeitraum zu erholen. Laut dem derzeit geltenden Kriegsrecht können die Soldaten allerdings nicht so ohne weiteres demobilisiert werden. Dazu müsste ein neues Gesetz verabschiedet werden.

Während Danilow erklärte, die Entlassungen sollten schon in nächster Zeit beginnen, hielt sich Selenskyj selbst deutlich bedeckter. In der nächsten Woche soll demnach erst einmal ein konkreter Plan zur Mobilmachung vorgestellt werden. Das teilte Selenskyj bei einer Pressekonferenz mit Lettlands Präsident Edgars Rinkēvičs mit. Derzeit dienen rund 820 000 Ukrainer in den Streitkräften. Um zumindest einen Teil der Wehrpflichtigen für eine bestimmte Zeit nach Hause schicken zu können, müssen andere Soldaten rekrutiert werden, damit die Front nicht zusammenbricht.

Selenskyj wechselt mehrere Generäle bei Nationalgarde aus

Kurzen Prozess machte Selenskyj derweil mit der Führung der Nationalgarde. Per Erlass entliess er dort mehrere hochrangige Generäle. Als höchster Offizier musste der 1. stellvertretende Chef der Nationalgarde, Generalleutnant Wolodymyr Kondratjuk, gehen, wie aus den am Freitag veröffentlichten Präsidialerlassen hervorgeht. Daneben traf es drei weitere Stellvertreter. Bis auf einen waren alle Generäle schon vor dem Krieg im Amt. Die Hintergründe der Entlassungen sind noch unklar.

Selenskyj macht weiter Druck auf EU wegen Beitrittsverhandlungen

Die Ukraine hofft nach Angaben Selenskyjs auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen zur EU im Dezember. Bei einem Treffen habe er Lettlands Präsidenten Rinkēvičs darüber informiert, wie die Ukraine die Empfehlungen der Europäischen Kommission umgesetzt habe und dass das Land bereit zu Beitrittsgesprächen im Dezember sei, sagte er am Freitag in seiner täglichen Videobotschaft. «Wir warten auf diese Entscheidung und darauf, dass die Europäische Union ihre Versprechen erfüllt», fügte Selenskyj hinzu.

Zudem berichtete Selenskyj von einem Gespräch mit dem scheidenden niederländischen Premierminister Mark Rutte. Er habe diesem für die jüngste Entscheidung gedankt, im kommenden Jahr zusätzliche zwei Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. «Die Verteidigung unserer europäischen Lebensart muss weitergehen, und die Einheit Europas ist dafür ein Schlüsselelement», sagte er.

Nach Wahlsieg von Wilders: Sorgen über Ukraine-Hilfe aus Den Haag

Selenskyjs Aussagen sind insofern interessant, weil sich nach dem Wahlsieg des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders westliche Verbündete über die Fortsetzung der Militärhilfe an Ukraine sorgen. Die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren teilte am Freitag in Den Haag mit, dass sie von mehreren ausländischen Kollegen darauf angesprochen worden sei. Sie fürchteten, dass die Niederlande die Lieferung von militärischen Mitteln wie etwa die F-16-Kampflugzeuge stoppen würden, sobald Wilders der Regierung angehöre. «Ich hoffe und erwarte, dass die Unterstützung bleibt», sagte die Ministerin.

Doch die Wilders-Partei für die Freiheit (PVV) sei nun mal die grösste, sagte Ollongren. «Die PVV war in der Vergangenheit nie begeistert über die Unterstützung der Ukraine, ja hat sich sogar auch pro-russisch geäussert.» Im Wahlprogramm spricht sich die PVV gegen weitere Militärhilfen aus. «Wir schicken unser Geld und militärisches Material wie die F-16 nicht in die Ukraine, sondern behalten sie für unsere eigene Armee.»

Häufiger Luftalarm kostet die Ukraine monatlich 150 Millionen Euro

Der häufige Luftalarm wegen der Gefahr eines russischen Raketenangriffs in der Ukraine ist nicht nur lästig, sondern auch teuer. Jeder Tag erzwungenen Stillstands durch Luftalarme koste den ukrainischen Haushalt drei Milliarden Hrywna (etwa 76 Millionen Euro) an Steuereinnahmen, rechnete der Chef des Steuerkomitees im Parlament, der Werchowna Rada, Danylo Hetmanzew, am Freitag auf seinem Telegram-Kanal vor. Pro Monat würden durch die häufigen Alarmsirenen mindestens zwei Tage verloren gehen. Damit liege der Verlust für Budget und Rentenkasse bei monatlich sechs Milliarden Hrywna (152 Millionen Euro).

Was am Samstag wichtig wird

Besonders schwer sind die Kämpfe derzeit in den Gebieten Donezk und Cherson.